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4 Monate Pension

Es ist 4 Monate her, dass ich mich entschieden habe, mich vom professionellen Laufen zurückzuziehen. Die letzten Jahre habe ich die Welt über mein Leben als professionelle Läuferin informiert und ich dachte, dass vielleicht einige von euch daran interessiert sein könnten, wie meine Entwicklung zu einem normalen Leben außerhalb der Leichtathletik läuft. Weiters habe ich mir gedacht, dass ich einige Fragen beantworten kann, die ich in den letzten Monaten oft gestellt bekommen habe.
Natürlich waren Gedanken über ein mögliches Ruhestand schön früher präsent als diesen Februar, aber den Schritt der Rücktritts wirklich zu gehen, ist eine weiterere große Entscheidung. Die ersten Tage nach der Ankündigung war ich gerührt von all den netten Nachrichten, die ich erhielt und auch nostalgisch und traurig, weil es schwer vorstellbar ist, dass das Leben, wie man es kennst, auf den Kopf gestellt wird. All die Freunde mit denen ich die Welt bereist habe egal ob für gemeinsame Trainingslager oder für Rennen, werde ich nicht mehr wirklich sehen, genauso wie meine Teamkameraden für die wöchtentlichen Trainings - so ändert sich das ganze soziale Leben. Genauso ist der Tagesablauf nicht mehr durchgetaktet und die Trainingseinheit um 10 Uhr und 16 Uhr fällt weg, es gibt keine Physiotherapie-Termine, zu denen man gehen muss - es gibt keine notwendige Struktur mehr für den Tag!
- Läufst du noch? Trainierst du? Wie betreibt man eigenlich "normal Sport"?
 
Ich habe versuchte, eine bestimmte Struktur in meinem Tag/meiner Woche aufrecht zu halten. Ich laufe immer noch ziemlich viel, gut Laufen ist vielleicht nicht der richtige Begriff - ich jogge mindestens 5 Mal pro Woche - wenn ich nicht jogge gehe ich wandern, oder radln oder mache Sachen wie Klettern und Acro Yoga oder golfen mit meinen Eltern - einfach all die Dinge, die ich während meines professionellen Trainings nicht machen konnte. Ich bin im Mai gemeinsam mit einer Freundin den "Österreichischen Frauenlauf gelaufen und war sehr überrascht, dass ich 5km immer noch unter 20 Minuten laufen kann. Aber ich war noch mehr überrascht, dass ich es schaffte, 35k beim "Wings for life world- run" zu laufen - was definitiv das Feuer entfacht hat einen Marathon in den nächsten Jahren anzugehen:D.  Das, was ich im Moment am Laufen am Meisten genieße, ist, dass ich auf den verrücktesten Berg den ich finden kann einfach rauf laufen kann und mir keine Gedanken darüber machn muss wie müde meine Beine sein werden, wenn ich 2 Stunden bergauf und 90 Minuten lang bergab laufe!

- Hast du immer noch Schmerzen? Ja absolut.: /
Ich habe noch 3 Stabi / Kraftübungen pro Woche, denn nur weil ich nicht mehr professionell laufen,  bedeutet das nicht, dass ich meine Rückenschmerzen und Sitzbeinschmerzen einfach so losgeworden bin! Diese Übungen helfen mir wirklich, sie so weit wie möglich in Schach zu halten. Nach einem wirklich schönen Intervalltraining mit Christoph letzte Woche, wurden meine Oberschenkelschmerzen wieder so schlimm, dass ich bis heute nur in einem sehr langsamen Tempo
schmerzfrei joggen kann. Das sind die Tage, an denen ich einfach glücklich bin, dass ich nicht mit Schmerzen nicht laufen MUSS und dass die Entscheidung, die ich getroffen habe, für meinen Körper die richtig war! Ich kann laufen gehen, wenn ich möchte -  muss aber nicht!


- Hast du etwas zugenommen? Ja auf jeden Fall.
Nachdem ich die restriktive Ernährung, die ich gewohnt war abgelegt und viel weniger trainiert habe, habe ich meiner Meinung nach ein bisschen zu viel zugenommen. Eine Sache, die ich immer ausprobieren wollte, war eine Fastenwoche. Es war ziemlich schwer für mich, 4 Tage fast nichts zu essen, aber es half mir wirklich zu erkennen, dass mein Körper nicht mehr so viel Nahrung braucht und ich fühle mich jetzt viel besser in meinem Körper und habe 3-4 kg mehr als Wettkampfgewicht,  womit ich mich wohl fühle. Meine Ernährung hat sich ein wenig mehr in Richtung veganer Ernährung geändert, aber nicht zu 100%, da ich in den letzten 10 Jahren an eine restriktive Ernährung gewöhnt war und ich mich nicht mehr unter diesen Druck setzen will und ab und zu mit Freunden zum Heurigen auf einen Schofskas gehen will ;)


- Was tust du jetzt? Was arbeitest du? Studierst du immer noch? Ja zu allem!
Im Moment finde ich es super, wenn ich viel zu tun habe, denn wenn ich nicht gerade beschäftigt bin, dann ist es leichter viel über Dinge zu grübeln. Momentan arbeite ich an meiner Masterarbeit mit dem Schwerpunkt "Stress und Verletzungen bei EliteläuferInen" - und ich habe noch eine weitere Prüfung und 2 Pflichtfächer sowie ein Praktikum, bevor ich mich "Master of Sportscience and Trainingstherapy"


- Ich habe angefangen, ein paar Lauftechnikkurse und Personal Training zu machen und ich genieße es wirklich, LäuferInnen Tipps zu ihrem Laufstil geben zu können und Laufneulingen zu motivieren weiter zu dran zu bleiben! Ich genieße es auch sehr von meinen KursteilnehmerInnen zu lernen und gemeinsam Spaß am Laufen und Lernen zu haben!


- Ich habe mit meinem Verein Union St. Pölten an einem Talentprojekt namens "athletic girls" gearbeitet, um junge Mädchen zu motivieren alle leichtathletischen Disziplinen auszuprobieren


- Ich habe angefangen, junge Nachwuchstalante zu trainieren - was für mich eine ganz neue Erfahrung ist, auf der anderen Seite zu stehen und über Training, Wettkampf und all die zusätzlichen Dinge nachzudenken


- Ich mache gerade einen tollen Kurs für "integrative Sporttherapie" - ich habe nie so viel über Training und Reha in meinem Leben gelernt und genieße es einfach, einen ganz neuen Blickwinkel auf Dinge zu bekommen


- Ich habe viel mehr Zeit, für neue und alte Hobbys! Wie Reiten, etwas, das ich während meiner Zeit als Läuferin sehr reduzieren musste. Umweltfragen und der Versuch, ein nachhaltigeres Leben als ein durchschnittlicher Mensch zu führen, waren mir immer sehr wichtig. Kein Zweifel, dass Hochleistungssport überhaupt nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Die Welt zu bereisen,
mehr Laufschuhe pro Jahr zu verbrauchen, als ein normaler Mensch im Laufe seines Lebens, hat auf jeden Fall meinen ganzen Co2-Fußabdruck für viele Jahre- für vielleicht mein ganzes Leben aufgebraucht . Ich habe es immer geliebt, im Garten zu arbeiten, Kräuter zu sammeln und hausgemachte Marmeladen herzustellen. All diese Dinge sind eher "Oma-Dinge" - also finde ich es durchaus angemessen, dass ich in meiner Pension mehr Zeit damit verbringe, diese Dinge zu tun :D. Christoph und ich haben ein "Selbstversorger Feld" gemietet wo wir unser eigenes Gemüse anbauen können und auch im Hochbeet im Garten tummeln sich die Gemüsepflanzen und wir versuchen mehr als je zuvor, ein Leben ohne Plastikmüll zu führen, was natürlich auch einfacher ist, wenn man mehr zuhause ist.  Eine andere Sache, die mich immer schon immer genervt hat, ist die Menge an Müll, die man neben Straßen und auch in der Natur finden kann. Aufgrund des langsamen Tempos, das ich gerade laufen, ist es kein Problem, während dem Laufen ein paar Dinge aufzuheben und bis zum nächsten Mistkübel zu transportieren. So hilft mir das Laufen dann auch beim Erfüllen meines Jahrsvorsatzes: 3 Stück Müll am Tag zu sammeln!

 

- Eine Sache, für die ich sehr dankbar bin, ist, dass ich Aktivitäten mit meinen Freunden machen kann, die ich früher nie machen konnte, wie 7 Tage wandern im Juli oder einfach normale Dinge wie bei Geburtstagsfeiern dabei sein zu können, weil man nicht auf einem Trainingslager oder einem Wettkampf ist! Und ich bin sehr froh, dass ich viele Freunde habe, die ehemalige Athleten sind und mir in Zeiten die nicht so einfach sind mit Ratschlägen und Erfahrungen zur Seite stehen können. Bei meinem ersten Leichtathletik- Meeting zuzuschauen war dann doch nicht so einfach, da mir dann nochmal bewusst wurde, dass ich niemals wieder so fit sein werde um auf diesem Niveau zu starten.

 

Alles in Allem bin ich aber sehr glücklich über meine Entscheidung und wirklich dankbar, dass mein Körper immer noch gesund genug ist, um als Hobbyläufer durch die Gegend zu laufen! :)

 

Jenni